Erotik und Filmkunst – Asta la vista !


 

Ist es Pornographie? Nein. Ist es Mainstream? Definitiv nicht. Ist es Kunst? Auch nicht. Es ist ein Traum. Es ist eine surreale Reise in einen Traum, der Realität mit illustrer Fantasie literarisch verschmelzt und die Grenzen zwischen Sinn und Irrsinn elegant bis in die Unendlichkeit verwischt.

 

Es einen Film zu nennen ist fast schon eine Beleidigung, den Film unterhält. „Lucía und der Sex“ lädt ein und lässt uns daran teilhaben, wie sich die Story peu à peu selbst auflöst und die Stücke wieder separat in einer anderen Reihenfolge zusammensetzt.

 

Man ist einer psychedelischen Macht ausgeliefert, die unseren Verstand instinktiv manipuliert und uns somit daran hindert, der Geschichte jeglichen Verlust von Realität vorzuwerfen. Nein, das ist ganz bestimmt kein Film. Sowas träumt man. 

Regisseur Julio Medem erzählt eine ganz objektive Geschichte, die von einem Schriftsteller namens Lorenzo (Tristán Ulloa) handelt, der eine tragische Geschichte zu Papier bringt, welche jedoch zugleich auch der Realität entspricht, sich wiederum davon inspirieren lässt, um die Wirklichkeit in eine andere Bahn zu lenken. Es ist unmöglich, das Vorgehen in Worte zu fassen. Es würde Romane füllen, um der Komplexität des Surrealismus gerecht zu werden. Dieses Werk muss man erleben und selbst erfassen, auf Papier würde es niemals die selbe bahnbrechende Faszination ausstrahlen. Um ehrlich zu sein, hört es sich auf Papier relativ langweilig und auch lächerlich an. Oder wie findet ihr das? Ein Schriftsteller schreibt eine Geschichte, die wahr wird. Er schläft mit 3 Frauen, die alle etwas miteinander zu tun haben, auch von sich wissen, aber nichts unternehmen, selbst nachdem sie voneinander erfahren, dass sie alle den selben Mann im Bette hatten. Das klingt doch nach einem Schmuddelfilm, nicht wahr? Ist es aber nicht. Es kommt nicht von ungefähr, dass dem Film von Kulturbanausen Pornographie vorgeworfen wird. Natürlich wird es explizit. Natürlich sind die Akteure häufig nackt. Und natürlich verläuft der Geschlechtsakt nicht so prüde wie in den Staaten. Nahaufnahmen vom männlichen Glied oder das Stimulieren sämtlicher weiblicher Körperteile sind in diesem Werk keine Ausnahme. Vor allem am Anfang des Films. Apropos Anfang. Den gibt es gar nicht. Es gibt auch kein Ende. Es gibt kein Mittelteil. Es gibt nichts. Es ist ein Traum. Und seit wann beginnt ein Traum? Ist man nicht von vornerein mittendrin? Der Film läuft nicht chronologisch ab, was aber keine Verminderung der Konzentration darstellen sollte. Denn seien wir mal ehrlich. Chronologisch aufgebaute Filme sind doch eintönig, da sie schnell vorhersehbar werden und nur deswegen erfunden wurden, um das nichtdenkende Mainstream-Publikum nicht zu überforden. Ein Film, der durchgewürfelt erscheint und in dem sich die einzelnen Szenen erst gen Ende zu einem Ganzen zusammentun, fordert doch viel mehr die Geduld des Zuschauers, was gleichzeitig aber auch viel mehr Raum für eigene Interpretationen bereit hält.

 

Interpretation. Guter Stichpunkt. Ich versuch mich kurzzufassen. Lorenzos Figur spielt in dem Film weitgehend eine literarische Funktion. Der Geschlechtsakt mit den Frauen, findet nicht in der Realität statt. Eigentlich schon, aber die tatsächliche Person, die den weiblichen Protagonisten zum Höhepunkt bringt, ist die Romanfigur von Lorenzo, der jedoch seine Seele widerspiegelt. Einzig seine Freundin Lucía (Paz Vega) schläft mit dem realen Lorenzo. Wird aber eifersüchtig, als sie in seinem Roman zu lesen bekommt, dass der literarische Lorenzo mal wieder ein anderes weibliches Wesen beglückt hatte. Demnach kann man schlussfolgern, dass selbst Lucía nur mit der Romanfigur zusammen ist. Ich gebe zu, das ist etwas konfus und schwer nachzuvollziehen, aber es erscheint logisch, da der Film sich nach dem fiktiven Roman von Lorenzo richtet, und der gesamte Storyverlauf darauf hinaus geht, dass Lorenzo den Roman abbricht, um der Realität mehr Beachtung zu schenken, die jedoch nur ein Abbild seiner literarischen Welt ist. -Wenn die Geschichte zu Ende ist, hört sie nicht etwa auf, sondern fällt in ein Loch und tauch mittendrin wieder auf!-

 

Ein Zitat aus dem Film, das das Werk treffend beschreibt. Der Film hört nicht auf, selbst wenn nach 2 Stunden die End Credits eintreffen (welche wohlbemerkt rückwärts ablaufen!). Das Ende ist die Anknüpfung zu einem Mittelteil des Films, der sich aus dem Intro entwickelt, welches ja nur eine Rückblende ist. So gesehen ist der Schluss der kinetische Anfang, wobei vorallem gerade im zweiten Akt viel mit dem Ende gespielt wird. 

Man sieht also, aufgepasst! Wer den Film sehen will und wird, muss sich ein Stück Papier und einen Bleistift zur Hand nehmen und alles notieren, was einem aufhält. Kein Detail ist unbegründet. Alles ergibt einen Sinn. Selbst wenn das Ende für Mainstreamler ominös erscheinen mag, ist es gerade für Filmkenner eher enttäuschend, das es in gewisser Weise ein Happy-End ist, obwohl es ja nicht das reale Finale der Story ist, die ja gar kein Ende finden wird. 

Was man dem Film dennoch vorwerfen kann, ist das gerade gen Ende etwas viel aufgelöst wird, was natürlich den Raum für eigene Interpretationen etwas einengt. Zwar steigt so stetig die Spannung, jedoch kommt es einem so vor, als fühle sich Julio Medem verpflichtet, wenigstens etwas Licht ins „Dunkle“ zu bringen, was eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Denn gibt es nichts schöneres, als einen Film, der offen abgeschlossen wird? Filmkenner denken ich wissen, was ich meine. Es wäre doch wohl auch sehr enttäuschend gewesen, wenn in Richard Kellys „Donnie Darko“ plötzlich am Ende für alle Probleme eine Lösung gefunden worden wäre, oder?

 

Der Sex spielt mehrere Rollen. Es ist unmöglich, ihm nur eine Funktion des Geschehens anzuheften. Mit dem Sex steht und fällt Medems Werk, allerdings ist es nicht auf den Akt an sich ausgerichtet, sondern der Hintergrund, weswegen er vollzogen wird. Und um das zu verstehen, sollte man doch ein klein wenig erfahren sein, sonst ist man dem Film von Julio Medem hilflos ausgeliefert. Er ist nicht kontrovers. Und auch nicht sehr schwer zu verstehen. Nur die Metapher dahinter und die literarische Parallelwelt, sind nur schwer aufzunehmen, da sie nicht genannt werden, sondern schon Bestandteil des gesamtem Films sind. Und wenn man den Film eben nicht versteht, erscheint er zwar optisch einmalig, aber inhaltlich verworren und sehr selbstverliebt, was er aber nicht verdient hätte.

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