Hörst du es knistern?

 


"Du willst einen Genozid mit Fahrstuhlmusik unterlegen?"
 
"Zombie"-Filme gibt es in Übermaß! Egal in welcher Variation, Ausführung oder Grundthematik behandelt diese Art von Genre eigentlich stets dasselbe Thema – Überleben und das Herausfinden der Ursache.
 
Hartgesottene Cineasten und pseudo-tiefgründig studierende Filmbegeisterte schreiben dieser Art von Film teilweise auch diverse satirischen Spitzen zu und loben sie über den Tellerrand meist auch als gesellschaftskritische Spaltung der aktuellen, politischen oder moralischen Situation. Eine leichte Übertreibung ist hier nicht zu übersehen, jedoch trifft diese Lobhuldigung auf den einen oder anderen Streifen durchaus zu – wenn auch nicht auf den größten Teil der Maße.

Mit Sicherheit hat das Werk "28 Days Later" von Danny Boyle eine reflektierende Funktion und auch pisst "Dawn of the Dead" (Original und Remake) der Gesellschaft ohne Rückhalt mit voller Elan ans Bein.  Jedoch sind die meisten B-Horror-Filme oder andere Werke, welche sich mit der Bezeichnung "Zombie-Film" schmücken, in der Regel nur auf Splatter und drastische Gewaltszenen aus, ohne wirklich eine subversive Botschaft zu übermitteln. Natürlich wollen alle irgendwie kritisch rüberkommen, doch klappt das bei den meisten nicht und über das Blutvergießen kommen sie dann doch nicht. Selbst hat er große George A. Romero in letzter Zeit etwas nachgelassen. So konnte man "Land of the Dead" noch als plakativ-gesellschaftlichkritischen Verweiß auf die Rolle der Machtkonzerne und Reichen verstehen, jedoch war in dem Teil diese Kritik selbst dem Laien schnell bewusst. Das Thema "Diary of the Dead" fangen wir erst gar nicht an, in dem Romero versuchte, auf den "Handycam-Look"-Zug aufzuspringen. Allerdings gehören Filme wie "Mutants", "Doomsday" und "Day of the Dead" (2008 von Steve Miner) nicht mehr zu der Sparte, die versuchen, was anzuprangern. Und da fast jährlich neue Filme dieses leider missverstandenen Genres erscheinen, hat das ganze doch seinen Glanz und Reiz verloren, da so gut wie jeder neue Zombie-Film nach dem selben Schema abgefilmt wird. 

Doch nun kam "Pontypool" von Bruce McDonald, welches 2009 am Fantasy Film Fest Premiere feierte. 
 
"Pontypool", das den deutschen Zusatztitel "Radio Zombie" trägt, ist ein kanadischer Film zum eben oben besprochenen Thema "Zombie-Film". Die Story ist im Grunde recht simpel und erscheint nicht gerade spektakulär. In dem abgelegenen Ort Pontypool tritt eines Morgens – am 14. Februar (Valentinstag) – eine Art Epidemie aus, welche die Menschheit dazu veranlagt, nun andere Menschen zu jagen, zu essen und zu malträtieren. In diesem Ort gibt es auch eine kleine, privatbetriebene Radio Station, die 3 Mitarbeitet umfasst – Grant Mazzey, der Radio-Moderator (Stephen McHattie), Sydney Briar, die Chefin (Lisa Houle) und die Newcomerin und Assistentin Laurel-Ann Drummond (Georgina Reilly). Während das Trio die obligatorische Radio-Sendung vollzieht, bekommen sie im Grunde live mit, wie sich die Bevölkerung des Städtchens merkwürdig benimmt. Mit Live-Zuschnitten zur Radio-Station bekommen sie nur auditiv mit, was sich dort draußen abspielt. So berichtet der außenstehende Posten Ken Loney, wie er die Explosion des Krankenhauses beobachtet, und mit dabei zusehen muss, wie eine Horde wildgewordener Menschen Personen aus einem Auto zerren und sie bestialisch auseinanderreißen. Während die drei in der Radio-Station dies anfangs noch für einen dümmlichen Scherz halten, bekommen sie es dennoch im Laufe der Zeit mit der Angst zu tun, da sie immer mehr Telefonate erhalten und es bald selbst in den eigenen Reihen zu Ungereimtheiten kommt… Gen Ende kommt dann noch eine vierte Person hinzu, der Arzt Dr. Mendez, welcher einen wichtigen Beitrag zur Rätsels Lösung beisteuert. Der Clou der Sache wird jedoch hier ausnahmsweise nicht gesagt!
 

 
Bruce McDonald, Regisseur des schwer unterschätzen Episodenwerks "Tracey Fragments", verfilmt den Roman von Tony Burgess, welcher selbst das Drehbuch zu diesem Film verfasste. Anstatt mit vordergründigem Splatter vertraut er hier ganz auf die Kraft und Auswirkung der Fantasie des Zuschauers. Gezeigt wird so gut wie gar nichts; wer hier auf einen harten Splatter-Schocker hofft, wird vergeblichst enttäuscht werden, denn mehr als ein paar blutverschmierte Scheiben bekommen ihr hier nicht zu sehen. Der Film wird wie ein Kammerspiel aufgebaut, agiert auch teils wie eines, ist es aber im Grunde doch nicht, selbst wenn hier – für einen Horrorfilm – erstaunlich viel geredet wird, was jedoch nicht unbegründet ist. Während die ersten 20 Minuten recht entspannt inszeniert sind und den Charakteren genügend Tiefe eingehaucht wurde, fängt die Spannung langsam an, sich kontinuierlich aufzubauen. Aufgrund der geraden tristen und kahlen Location und der simplen, aber kongenialen Idee, das Geschehen nur mitzuhören, schafft es McDonald doch tatsächlich, eine dichte und sehr bedrückende Atmosphäre aufzubauen, welche in diesem Genre nur selten zu finden ist. Erstaunlich ist auch, dass es ihm durchaus gelingt, einen gewissen Grad des Ekelfaktors zu erreichen, ohne auch nur ein einziges Mal eine Tötung zu zeigen (nicht mal anzudeuten!). Gemeint ist hier die detaillierte Schilderung des Außenpostens Ken Loney, die die Fantasie des Zuschauers manipulativ anregt und den kranken Gedankengängen somit freie Bahn lässt. Diese Szene ist gerade deswegen so fesselnd, weil man nur sein Atmen und seine Beschreibungen hört, während es in der Radio Station totenstill ist. Eine Totenstille, die eine unglaubliche Atmosphäre aufbaut, während Ken mit leicht modulierter, keuchender Stimme meint, dass das kurz zuvor getötete Mädchen, deren Knochen allesamt gebrochen sind, ihn direkt anschaut und leise etwas flüstert. Das ist angsteinflößend, bedrückend und auf eine gewisse Art auch irre spannend. Spannung wird hier nicht durch Sehen und Zeigen, sondern durch Hören und Erklären erzeugt. Spannung, die mehrmals den höchsten Pegel erreich; da verzeiht man gerne ein paar klischeehafte Äußerungen und Taten. Der Punkt jedoch ist – und das macht den Großteil der Bewertung aus – dass selbst in den Zeiten, in der die Produzenten sich im ersinnen neuer Sadismen versuchen stets selbst zu übertreffen, es doch noch ein paar Mutige gibt, die es sich trauen, nur auf die Kraft simpler, unspektakulärer Mittel vertrauen – und somit auch noch gewinnen!
 
Da der Clou – und somit auch das Ende – nicht verraten wird, lässt sich nur eins sagen – es ist verwirrend, am Anfang sehr lächerlich, aber man muss sich sagen, es ist innovativ, kreativ – und wurde so noch nie angewandt. Dem "Zombie"-Genre wurde eine neue Möglichkeit einer Ursache beigefügt, denn die Auflösung in "Pontypool" gab es so definitiv noch nie. Schlussendlich kann man sagen, dass dieses Werk ein nettes Filmchen ist, dass man durchaus ernst nehmen sollte, welches jedoch in puncto Gewalt sehr mager ausfällt, aber dieses "Manko" (ich sehe es nicht als Manko, aber das Genre schreibt es wohl so vor; hat keine Auswirkung auf die Bewertung, sprich wird nicht als Negativ-Punkt berücksichtigt!) wird durch starke Atmosphäre, einen hohen Spannungsaufbau und dem soliden und überzeugendem Schauspiel mehr als kompensiert. Während Zack Snyder, George A. Romero & Co. den Zuschauer mitten ins Geschehnis werfen, belässt es McDonald bei der Unwissenheit. Was nun besser ist? Entscheidet selbst. Ich finde beide Varianten interessant, jedoch kommt es doch schlussendlich immer auf die Inszenierung und gesamten Aufmachung an. 
Bruce McDonald's "Pontypool" überzeugt, ist etwas über dem Durchschnitt und kann trotz der etwas konfusen, aber verblüffenden Auflösung von sich behaupten, einen der vielleicht innovativsten Zombie-Filme der letzten Jahre produziert zu haben. Darüber hinaus ist es vor allem Anfangs erfreulich sarkastisch und voller schwarzem Humor, das den Film jedoch nicht in die Lächerlichkeit zieht. Habe ich eigentlich schon gesagt, dass die beiden weiblichen Darstellerinnen auch optisch überzeugen? Zu schade, dass…ach, seht selbst.
Oder wie Dreadcentral.com sagt: "Spannend, schockierend und intensiv!" (Cover-Text). Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen!

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